Wer etwas über das allererste offizielle Fußballspiel in Erfahrung bringen möchte, das am 11. November 1871 in London stattfand, der stößt bereits bei der Fahndung nach einer Fotoaufnahme auf das erste Problem: es existiert keine. Obiges Motiv kann daher nur einen Eindruck vermitteln von Spielen im England des 19.Jahrhunderts.

Es zeigt das FA-Cup-Finale auf dem Fallowfield Ground in Manchester zwischen den Wolverhampton Wanderers und dem FCEverton vom 25.März 1893. Beim Premierenspiel mehr als 20 Jahre zuvor waren weder solche Zuschauermassen zugegen noch hatten die Tore eine Latte.

Wie kam es zum ersten Spiel?

Die Idee, den gängigen Freundschaftsspielen zwischen den Counties mit einem Wettbewerb für alle Mitglieder der 1863 gegründeten Football Association (FA) einen offiziellen Rahmen zu geben, stammt von Charles Alcock. Der Verbandssekretär, zugleich Mittelstürmer des Wanderers FC, trug diese dem Komittee am 20.Juli 1871 vor, 114 Tage später startete mit dem FA-Cup der älteste Fußballwettbewerb der Welt.

Wer trat gegeneinander an?

Von den 50 Mitgliedern, die der FA im Jahre 1871 angehörten, meldeten für das in einem einfachen K.-o.-Modus ausgetragene Turnier 15Mannschaften, die meisten waren Schul- oder Universitätsteams. Nur zwei existieren heute noch: Crystal Palace und Queen’s Park aus Glasgow, die FA hatte die Schotten eingeladen.

An jenem 11.November 1871 fanden vier Begegnungen statt, weil die Gegner der Wanderers und der Royal Engineers zurückzogen, sich Queens Park und Donington School nicht auf einen Termin einigen konnten und die Hampstead Heathens ein Freilos hatten. Das legendäre Tor fiel schließlich im West Ham Park in London, Heimstätte von Upton Park – vor wie vielen Zuschauern ist nicht überliefert, beim Finale 1872 waren es 2000.

Es glückte jedoch nicht den Gastgebern, einem 1866 gegründeten Klub aus dem Nordwesten der Hauptstadt, der Großbritannien im Jahr 1900 in Paris beim Olympischen Fußballturnier vertreten sollte – und gewann. Freuen durften sich vielmehr die Clapham Rovers, die letztlich mit 3:0 triumphierten, in der darauffolgenden Runde des FA-Cups allerdings gegen den späteren Sieger ausschieden, den Wanderers.

In die Siegerliste des englischen Vereinspokals trugen sich die Rovers, die anfangs mit ihren Sparten Fußball und Rugby im samstäglichen Wechsel entweder den Ball mit dem Fuß traten oder das Ei durch die Gegend warfen, 1879/80 ein (1:0 gegen Oxford University). Im Jahr zuvor hatten sie das Finale gegen Old Etonians mit demselben Ergebnis noch verloren.

Wer war der erste Torschütze?

Zu den wenigen gesicherten Erkenntnissen jenes 11. November1871 gehört der Schütze des ersten Tores: Jarvis Kenrick von den Clapham Rovers.

48Stunden vor seinem 21.Geburtstag schrieb er mit seinem Führungstreffer Geschichte – die exakte Minute lässt sich nicht verifizieren –, ein zweiter zum 3:0-Endstand folgte zehn Minuten vor dem Abpfiff.

Kenrick, der auch Cricket spielte, „played magnificently during the whole time“, schrieb die britische Zeitung The Sportsman am 15. November 1871, prächtig also. Drei Tage später lief er in einem Freundschaftsspiel für England gegen Schottland auf. 1874 wechselte Kenrick zu den Wanderers und half mit drei Finaltoren kräftig mit, den FA-Cup dreimal in Folge zu gewinnen (1875/76-1877/78).

Wie verlief das Spiel?

Es war, resümierte The Sportsman, „ein leichter Sieg für die Rovers“. In der ersten Viertelstunde habe Upton Park gut mitgespielt und die Partie an jenem Samstagnachmittag ausgeglichen gestalten können. Nach dem Führungstreffer durch Kenrick hätten die Gastgeber jedoch ihren Spirit verloren. Als gegen Spielende das Tempo abnahm, traf Kenrick erneut.

Welche Regeln galten damals?

Die FA als erster nationaler Fußballverband der Welt hatte bei der Gründung 1863 ein Regelwerk aufgesetzt.
Aufgrund der Modifizierungen in den 60er und 70er Jahren des 19.Jahrhunderts lässt sich zumindest erahnen, was zwischen Upton Park und Clapham Rovers erlaubt war – und was nicht. Das Handspiel hatte die FA den Feldspielern 1871 verboten, nur die Torhüter durften den Ball in der eigenen Hälfte berühren, mussten ihn aber nach zwei Schritten loslassen.

Im Jahr zuvor wurde die Anzahl der Spieler pro Team auf elf beschränkt (vorher 15 bis 20), die Hosen mussten das Knie bedecken. Statt einer Torlatte hing eine Schnur in 2,44 Meter Höhe, es gab kein Tornetz, keinen Mittelkreis, weder Elfmeter noch Freistoß. Ein Spieler befand sich im Abseits, wenn er bei der Ballannahme weniger als drei Gegenspieler vor sich hatte, überwacht wurde das von zwei Obmännern, einem pro Hälfte. Der Schiedsrichter wurde erst 1874 eingeführt.

KEIR RADNEDGE, UWE RÖSER