Fifa:Sonderermittler imSchlussspurt?
Widersprüche in Affäre um Geheimtreffen – Ermittler setzen Konfrontationseinvernahmen an.
Henry Habegger
Der 8. Juli ist in dieser FussballAffäre ein folgenschwerer Tag.
Am 8. Juli 2022 wurden Joseph
Blatter und Michel Platini vom
Bundesstrafgericht in Bellinzona vomVorwurffreigesprochen,
die Fifa Jahre zuvor um 2MillionenFrankenbetrogenzu haben.
Der 8. Juli 2015 könnte der
Tag gewesen sein, an dem das
Verfahren gegen Blatter und
Platini quasi geborenwurde.Damals erschien Rinaldo Arnold,
Oberwalliser Staatsanwalt und
Jugendfreund des damaligen
Uefa-Generalsekretärs Gianni
Infantino, im Büro von Bundesanwalt Michael Lauberin Bern;
auch dessen Informationschef
André Marty war dabei.
Gleich nach demTreffen bot
LauberfürdennächstenTag seinen Chef Wirtschaftskriminalität Olivier Thormann auf. Dieserlöste in der Folge eineAbfrage nach Platinis Bankdaten aus,
und im September eröffnete er
das Strafverfahren umdie 2Millionen.Folge:Blatter undPlatini
wurden von der Fifa gesperrt.
StattPlatini, der damalsKronfavorit für die Blatter-Nachfolge
war, bestieg imFebruar 2016Infantino den Fifa-Thron.
Sprach Arnold an jenem

  1. Juli2015imAuftragvonInfantino bei Lauber vor? Infantino
    bestreitet vehement, etwas mit
    dem Treffen zu tun zu haben.
    Lauber und Marty gaben zunächstan,es seibeimTreffenum
    allgemeine strafrechtliche Fragen gegangen. Gegenüber den
    Sonderermittlernsagennunaber
    offenbar alle drei, Arnold habe
    sich für eine Stelle bei der Bundesanwaltschaftinteressiert.
    Es gibt allerdings Indizien
    wie gewisse Outlook-Einträge,
    die darauf hindeuten, dass das
    Treffen vom 8.Juli eben doch in
    Zusammenhang mit FussballVerfahren stand. Sie finden sich
    in denAkten der beiden ausserordentlichen Bundesanwälte
    HansMaurer undUlrichWeder,
    die imAuftrag desBundesparlaments herausfinden sollen,
    worum es bei den nicht protokollierten Treffen zwischen
    Lauber und Infantino ging.Und
    ob es zuDeliktenwieAmtsmissbrauch, Amtsgeheimnisverletzung,Begünstigung oderAnstiftung dazu kam.
    Infantinos Schwester
    wurde alsZeuginbefragt
    Eine Art Alibi soll jetzt offenbar
    zeigen,dass Infantinonichtsmit
    demJuli-Treffen zu tun hatte.Es
    besteht dem Vernehmen nach
    darin, dass Arnold in der fraglichen Zeit, im Juli 2015, gar keinenKontaktmit seinemJugendfreund Infantino gehabt haben
    will. Erst im Spätherbst 2015,
    das bekamen die Sonderermittler zu hören, hätten die beiden
    wieder Kontakt aufgenommen.
    Als «Beweis» soll offenbar
    der Umstand dienen, dass Arnold im Spätherbst 2015 nicht
    wusste, wie er Infantino erreichen konnte. So soll er dessen
    Schwesterkontaktierthaben,die
    alsÜbersetzerinbeiderWalliser
    Staatsanwaltschaft arbeitete.
    Wasmanche erstaunte:Die Sonderermittler hörten Infantinos
    Schwester als Zeugin an. Was
    mancheweniger erstaunte:Diese bestätigteArnoldsVersion im
    Wesentlichen, wie es heisst.
    Dem stünden allerdings frühereAngaben desDuos Infantino/Arnoldentgegen.ImAuftrag
    desKantonWallis ermittelteder
    Nidwaldner Staatsanwalt Damian Graf ab Ende 2018 gegen
    Arnold wegen Verdachts auf
    Vorteilsannahme, eventuell passiver Bestechung. Arnold hatte,
    wie Grafs Untersuchung zeigte,
    ab 2016 dank Infantino zwar
    Fifa-Einladungen im Wert von
    mehr als 15000 Franken erhalten. Unter anderem an die WM
    inRussland und einenFifa-Kongress in Mexiko. Als Gegenleistungwofür?Graf stellte dasVerfahren im April 2019 ein, weil
    dieGeschenke anArnold nichts
    mit dessenAmt als Staatsanwalt
    zu tun hatten.
    Aberlaut Einstellungsverfügung gaben die Jugendfreunde
    Arnold und Infantino «übereinstimmend» an, sie hätten sich
    eineWeile aus denAugen verloren, aber«nachderWahl vonArnold als Präsident des FC BrigGlis imJahr 2013»habe es«wieder vermehrtKontakt gegeben».
    Dieser «vermehrte Kontakt» wird genauer begründet:
    Infantino «bezeichnete den FC
    Brig-Glis in seinerEinvernahme
    denn auch als ‹seinen› Club,
    demer viel zu verdankenhabe»,
    soGraf.«Intensiver sei derKontakt zwischen den beiden
    sodann während Infantinos
    Kandidatur alsFifa-AssociationPräsident geworden.»
    Hinzu kommt:Arnoldwurde
    gemäss Angaben, die er gegenüberGrafmachte, vonInfantino
    schon 2015, als dieser noch
    Uefa-Generalsekretärwar, zweimal eingeladen. Einmal ins
    Wembley-Stadion, das zweite
    Mal im Dezember nach Nyon
    zur Ziehung der ChampionsLeague-Achtelfinals.DerWembley-Besuch ist nicht datiert in
    der Verfügung, könnte aber mit
    dem EM-Ausscheidungsspiel
    England – Schweiz vom 8. September 2015 (2:0 für England)
    zusammenhängen.
    Sonderermittler
    stehenunterDruck
    Seit einem Jahr sind die ausserordentlichen Bundesanwälte
    Weder und Maurer an der
    Arbeit, um solche Vorgänge
    rund um die «Schweizerhof»-
    Affäre zu klären. Zuvor tat dies
    schon ihr sehr engagierter Vorgänger Stefan Keller, bis er in
    einem umstrittenen Entscheid
    vom Bundesstrafgericht in den
    Ausstand geschickt wurde.
    Das Verfahren scheint sich
    nun rasch dem Ende zu nähern.
    Nächste Woche haben die Sonderermittler die Beschuldigten
    zu sogenanntenKonfrontationseinvernahmen aufgeboten. Die
    macht man,wenn beträchtliche
    Widersprüche in Aussagen von
    Beteiligten vorliegen.
    Auf Anfrage bestätigt Hans
    Maurer: «Wir führen noch eine
    Runde von Einvernahmen
    durch, das heisst Konfrontationseinvernahmen der Beschuldigten.EinGrund ist, dass
    nicht alle Parteien bei allen
    Befragungen dabei waren.»
    Auf die Frage, ob es sich,wie
    einige Beobachter vermuten,
    schonumSchlusseinvernahmen
    handle, sagt Maurer: «Ob das
    Verfahren damit bald abgeschlossen ist, kann und will ich
    derzeit nicht sagen. Es ist auch
    denkbar, dass wir einzelne Teilverfahren vorziehen und abschliessen. Bisher haben wir
    nichts abgeschlossen.»
    AlsBeschuldigte führendie Sonderermittler derzeit neben Infantino, Lauber, Marty und
    Arnold auch den heutigen Bundesstrafrichter Thormann, den
    ehemaligen Fifa-Rechtschef
    MarcoVilliger sowie den Staatsanwalt des Bundes Cédric Remund. Unter anderem geht es
    auch um einen umstrittenen
    Charter-Flug Infantinos auf
    Fifa-Kosten. Für alle gilt dieUnschuldsvermutung.
    Das Duo befragte bisher
    eine ganze Reihe von Zeugen
    und Auskunftspersonen, weitere folgen, so der frühere EthikErmittler der Fifa, Cornel Borbély. Fraglich ist indes, ob auch
    die Polizei beigezogen wurde,
    um Daten wieE-Mails systematisch auszuwerten.
    Geschah dies nicht und stellen die Ermittler auf teilweise
    koordinierte Aussagen der Beteiligten ab, die sich zudem an
    gewisseVorgängenichtmehr erinnern wollen, wird die Untersuchung laut Experten an der
    Oberfläche bleiben.«Ohne diese Detailarbeit der Polizei kann
    ein Staatsanwalt keine gescheiten Fragen stellen», drückt sich
    einErmittler aus, der nichts mit
    dem Fall zu tun hat.
    Fest steht,dass aufdemSonderermittler-Duo beträchtlicher
    Druck lastet. Zuletzt hiess es,
    dass namentlich die Verteidigung vonInfantinodazudränge,
    das Verfahren schnell abzuschliessen. Ein Hintergrund
    mag sein: Im März steht die
    Wiederwahl des umstrittenen
    Fifa-Chefs an